Was will die Wut mir sagen?

Wenn man Mutterschaft hört, denkt man erstmal an bedingungslose Liebe, Hingabe, Versorgung, Geborgenheit, Sicherheit, Schutz, Nähe, Heimat etc. Das alles ist definitiv ein wesentlicher Bestandteil von Mutterschaft, aber es gibt noch den anderen, dunklen, verschwiegenen Teil, für den sich viele Mütter schämen, sich selbst verurteilen und denken sie würden versagen und wären allein damit.

“..und es macht sie bei Weitem nicht zu einer schlechten Mutter.”

Heute hatte ich mit ein paar befreundeten Müttern ein Gespräch darüber, wie das Muttersein uns verändert hat. Eine sagte, dass Seiten an ihr zum Vorschein kamen, von denen sie nie gedacht hätte, dass sie in ihr stecken. Eine andere sagte, sie hatte bevor sie Mutter wurde noch nie extreme Wut verspürt.
Wenn man wirklich ehrlich von Mutter zu Mutter miteinander spricht, werden definitiv beide Seiten viele Geschichten auspacken können, wo sie keine Kraft mehr hatten, keine Geduld, wo sie vor Wut gekocht haben und gebrüllt haben, wo sie Kinder bestraft haben, ihnen Vorwürfe gemacht haben, wo ihre Emotionen überhandgenommen haben und sie vielleicht verletzende Erziehungsmethoden aus ihrer eigenen Kindheit unbewusst angewandt haben, obwohl sie sich davon komplett distanzieren wollten.
Es ist leider so, aber es gehört dazu, es ist normal, es ist menschlich. Das bedeutet nicht, dass es ok ist, all diese Dinge sind nicht förderlich für Kinder und sollten bestenfalls nicht vorkommen, aber keine Mutter ist alleine damit und es macht sie bei Weitem nicht zu einer schlechten Mutter.

Es ist einfach enorm, was wir leisten. Kinder zu versorgen, Beziehungsarbeit zu leisten, Haushalt zu managen, Termine im Blick zu haben, wir geben über Monate und Jahre unseren Körper hin, in der Schwangerschaft und Stillzeit, unter monatelangem chronischen Schafmangel leisten wir stundenlange emotionale, körperliche und nervliche Schwerstarbeit und das zum Teil noch bevor andere ihr Frühstück gemacht haben. Nebenbei gehen wir evtl. noch einer Beschäftigung nach, verfolgen eigene Ziele und versuchen alles richtig zu machen, was einfach nicht geht. Wir machen vieles falsch.

Wut macht uns Angst

Mir geht es so, dass ich extreme Wut auch erst mit dem Muttersein erlebt habe und sie immer sofort wieder tief in mir vergraben habe, weil ich es nicht akzeptieren wollte, dass ich mich so fühle/verhalte.
Oft wird Wut so negativ gesehen. Sie macht uns einfach Angst, denn Wut ist gefährlich, kann zu Aggressionen führen, zu Zerstörung. Es ist gerade unter Christen ein No-go so richtig wütend zu sein, habe ich das Gefühl. Das passt ja nicht so mit den Gaben des Geistes zusammen. Aber wenn es so menschlich ist, die ganze Bandbreite der Emotionen zu fühlen, glaube ich, dass Gott uns ganz bewusst mit diesen Emotionen geschaffen hat, da sie uns so unfassbar viel erzählen können. Doch nur, wenn wir sie nicht verdrängen und uns dafür verurteilen.
Jesus war auch sehr emotional. Das wird jeder feststellen, der sich mit den Überlieferungen im Neuen Testament auseinandersetzt. Doch gerade wir Mädchen lernen schon sehr früh, dass lieb und ruhig zu sein, Wohlgefallen in unserem Umfeld auslöst. Ausrasten und große Gefühle wurden eventuell nicht souverän begleitet, sondern ignoriert oder gar bestraft. Natürlich haben wir dann noch heute Angst vor der Wut.

“Die Wut ist nicht in erster Linie da, um Zerstörung anzurichten, sondern um uns etwas Wichtiges zu zeigen.”

Doch was wäre, wenn wir uns mal mit der Wut unterhalten? Ganz urteilsfrei und neutral, wir benennen sie, sehen sie an: Wie verhält sie sich, wann taucht sie auf, was will sie erreichen, wovor will sie schützen, was will sie verteidigen, welche Ungerechtigkeit sieht sie? Die Wut ist nicht in erster Linie da, um Zerstörung anzurichten, sondern um uns etwas Wichtiges zu zeigen. Auch wenn es schwerfällt das zu glauben, aber Wut ist wichtig und sie zu beachten, statt sie zu verdrängen, ist auch wichtig, damit sie eben nicht irgendwann außer Kontrolle gerät.

Denn was Wut im Kern meist ist, ist Hilflosigkeit. Es ist ein Überlebensinstinkt. Wir sehen uns bedroht (und das kann auch ein um sich tretendes und schreiendes Kleinkind sein), wir fühlen uns dann machtlos diesem Verhalten gegenüber, sind evtl. in einem Laden und können nicht mit den Blicken der anderen umgehen, haben Zeitdruck und das Kind weigert sich mitzumachen. Man fühlt sich so hilflos und genau da wollen wir uns schützen. Wut ist auch eine enorme Kraft, um Ungerechtigkeit zu bekämpfen. Ja, auch von unseren Kindern könne wir uns ungerecht behandelt fühlen und dass kann einen zum Verzweifeln bringen.

Gnädig mit uns sein

Ich glaube jedenfalls, um zum Anfang zurückzukommen, dass das Muttersein uns zum Besseren verändert. Auch wenn wir vorher so eine extreme Wut von uns nicht kannten, heißt das nicht, dass wir eine schreckliche, wütende Person geworden sind, sondern dass wir extremen Bedingungen ausgesetzt sind und uns einfach zu verteidigen versuchen.
Wenn wir gnädig mit uns sind – auch mit Anteilen, die wir sonst immer abgelehnt hatten – dann können wir heilen und wachsen und lernen und Vorbilder für unsere Kinder sein. Sie dürfen lernen, dass wir Gefühle haben, aber nicht von ihnen beherrscht werden und sie auch nicht verdrängen. Alle Gefühle dürfen sein, sie haben ihre Berechtigung, aber sie dürfen auch weiterziehen. Wenn wir wirklich gnädig mit uns sind, können wir es auch mit unseren Kindern sein.

Fragen:

  • Was hat sich, seit du Mutter bist, in dir verändert?
  • Was will deine Wut dir sagen?
  • Wie gehst du mit der Wut deiner Kinder um?

Achtsame Mutterschaft

Manchmal rauscht die Zeit mit kleinen Kindern so an einem vorbei, finde ich. Gerade zum Jahreswechsel denkt man an die Zeit, die zurückliegt. Daran, dass so unfassbar viel passiert ist und die Tage sich zum Teil ewig angefühlt, doch das Jahr so schnell vorbei ging. Ich finde es unglaublich, denn Zeit gewinnt, wenn man Mutter wird, wirklich eine neue Bedeutung.

Mehr Achtsamkeit in meinem Mama-Alltag 

Was mir zum kürzlich zurückliegenden Jahreswechsel bewusst wurde ist, mein Wunsch nach mehr Achtsamkeit in meinem Mama-Alltag. Achtsamkeit bedeutet für mich bewusstes Leben. Hinschauen und wirklich sehen, hinhören und wirklich verstehen, sich berühren und wirklich spüren. Einfach intensiv wahrnehmen, was um einen herum passiert.
Vor allem aber eben im Hinblick auf die Kinder. Ich merke gerade wie wichtig es ist, sie bewusst zu beobachten. Ihre kleinen Hände, wie geschickt und flink sie sich bewegen und was für ein Wunder sie sind. Die Augen wie sie aufmerksam und leuchtend die Welt um sie herum betrachten und so vieles aufnehmen und wie schnell sie Dinge begreifen. Wie ihre Lippen neue Wörter formen und wie ihre Locken wippen, wenn sie umher tanzen. Ich bin immer so von Seligkeit und Liebe erfüllt, wenn ich mir die Zeit nehme innezuhalten um all diese kleinen aber wunderschöneren Details wahrzunehmen und über das absolute Wunder zu meditieren, dass sie aus mir heraus entstanden sind!
Sie waren in mir, von den ersten paar Zellen bis zum komplett einzigartig geformten Menschen! Nun sind sie hier und sprechen mit mir, nennen mich Mami und machen die Welt um sie herum durch ihr wunderbares Wesen zu einem besseren Ort. Ich kann nicht anders als zu staunen, welches Glück ich habe, um sie in ihr Leben hinein zu begleiten und stark zu machen.

Achtsamkeit mit Kindern gemeinsam üben

Achtsamkeit mit Kindern gemeinsam zu üben ist auch eine wunderschöne Möglichkeit den Alltag zu entschleunigen, mit den Kindern in Kontakt zu kommen und die Welt gemeinsam bewusster zu betrachten. Zu unseren liebsten Übungen gehören: Tiere beobachten, angefangen bei kleinen Käfern, bis hin zu Hirschen im Wildtierpark. Einfach zuschauen und staunen wie wunderschön sie gemacht wurden. Wir lauschen auch sehr gerne Vogelstimmen und versuchen einzelne rauszuhören, wir sammeln Steine und sortieren sie nach Farben und Größen, wir berühren im Wald verschiedene Baumrinden und Moossorten und beschreiben wie es sich anfühlt.

Was ich meiner Großen zur Zeit nahe bringe, ist das bewusste, tiefe Atmen zur Emotionsregulation und auch einfach zum Entspannen in Stressmomenten. Den Bauch voll und rund atmen und dann ganz langsam auspusten, bis der Bauch ganz flach ist. Das wiederholen wir ein paar mal und die Wirkung ist sofort bemerkbar, sodass es mich immer wieder aufs Neue erstaunt.

Es gibt noch so viel mehr was man machen kann um die Achtsamkeit zu üben, am einfachsten ist es auch einfach Sinneswahrnehmungen zu beschreiben, wie zum Beispiel: der Wind streicht mir durch die Haare, beim Schaukeln kitzelt es in meinem Bauch, der Boden fühlt sich kühl an unter meinen Füßen, das Eis knackt und sieht aus wie Glass, die Schokolade schmilzt ganz langsam in meinem Mund.
Das sind einfach nur ein paar Anregungen für typische Alltagsmomente von Kindern, die viel zu oft unbemerkt und umkommentiert an uns begleitenden Erwachsenen vorbei gehen, obwohl es so gut geeignete Situationen sind, um unseren Kindern zu zeigen, wie stärkend und erdend solche Sinneswahrnehmungen sind, um so ihre Empfindungen und Ausdrucksmöglichkeiten zu entwickeln. Wenn Kinder innerlich zur Ruhe kommen, statt von einem spannenden Spiel ins nächste zu rauschen, können sie den Kontakt zu sich und ihrem Umfeld stärken und dass ist für das gesamte Leben so unfassbar wichtig.

Kleine Begegnungen mit Gott im Alttag

Was ebenfalls für mich zur Achtsamkeit dazugehört, ist ihnen von Gott zu erzählen. Damit meine ich nicht in erster Linien klassische Kinderbibelgeschichten zu lesen. Was ich persönlich noch wichtiger finde, ist, Gott im profanen Alltag zu erleben. Wenn die Wunde am Knie schnell verheilt ist, danken wir Gott für’s besser machen. Wenn der Himmel am Abend rosa, pink und lila wird, reden wir darüber, wie Gott gerade den Himmel bemalt und uns damit zeigt, wie lieb er uns hat. Wenn Bäume mit den Blättern rascheln, überlegen wir, ob sie wohl gerade Gott zujubeln. Wenn Schnee in der Sonne glitzert, hat Gott uns eine ganz besondere Freude gemacht, weil Glitzer so magisch ist. Und wenn sie Angstmomente überwinden und Neues wagen, danken wir Gott für den Mut usw. So kann sich eine achtsame und lebendige Beziehung zu Gott entwickeln und diese Momente gehen mittlerweile fast immer von meiner Tochter aus, die solche kleinen Begegnungen mit Gott im Alltag wahrnimmt und sich darüber freut.

Ich muss dazu sagen, all diese Dinge machen wir bei weitem nicht täglich und sollte keinen Druck und Stress auslösen – da haben die meisten von uns schon genug von. Ich selbst kenne das als arbeitende Mutter, dass ich manchmal einfach nicht auf die Idee komme Achtsamkeit zu praktizieren. Aber umso wichtiger finde ich es, die kleinen Gelegenheiten zu nutzen, sei es einfach auf dem Nachhauseweg vom Kindergarten, beim Händewaschen und abends im Bett. Es gibt immer Momente, wo man innehalten kann, um den Alltag mit Kindern anders zu sehen, kleine Wunder zu registrieren und zu zelebrieren und so unseren Kindern mitzugeben, dass nichts davon selbstverständlich ist, sondern Gott so viel Liebe für’s Detail in seiner Schöpfung zeigt, die wir nur wahrnehmen, wenn wir achtsam sind auch auch wirklich mal innehalten.

Fragen:

  • Welche Ideen kommen Dir in den Sinn, um mehr Achtsamkeit in deinen Mama-Alltag zu bringen?
  • Siehst du mit deinen Kindern bewusst hin, wenn sie mit ihren kindlichen Augen die Welt erkunden?
  • Was macht für dich Gottes kreative Handschrift aus? Wo nimmst du sie in deiner Umgebung wahr?

Verantwortung

Als Eltern haben wir Verantwortung. Das ist klar. Und dessen ist man sich auch bestenfalls stets bewusst, denn nichts prägt die Psyche des Menschen mehr als die Erfahrung in den ersten Jahren des Lebens.

“Vieles falsch, aber noch viel mehr richtig gut”

Ich merke, dass sich die mütterliche Verantwortung mit der Zeit sehr wandelt. Das erste Mal hat mich das Bewusstsein über diese Verantwortung getroffen, als ich im Ultraschallbild das pochende Herzchen und die pulsierende Nabelschnur sah. Ich machte mir viel mehr Gedanken darüber, ob ich genügend Nährstoffe für mich und das Baby hatte und auch wie viel Stress und negative Gedanken ich hatte. Ich hatte Verantwortung meinen Körper als sicheren und gesunden Ort zum Wachsen und Gedeihen unseres Babies zu wahren.
Als sie dann Monate später in meinem Arm lag, war alles wieder ganz anders. Ich wollte sie stillen, sie willkommen heißen, ihr Nähe und Wärme schenken. Meine Verantwortung war es, ihr ein schönes Ankommen in der Welt zu bereiten.

Als wir von der Geburtsklinik nachhause entlassen wurden, schauten Sascha und ich uns an und meinten: “Was? Jetzt haben sie uns echt das Baby mit nachhause gegeben? Jetzt sind wir hier alleine, ohne Hilfe zuhause mit einem Baby?” Das war noch ein Level mehr Verantwortung und so sind wir Stück für Stück gewachsen, haben scheinbar Unüberwindbares gemeistert und haben vieles falsch, aber noch viel mehr richtig gut gemacht.

“Die Erziehungsmethoden, die ich in meiner Kindheit erfahren habe, kann und will ich für meine Kinder mit Sicherheit nicht anwenden.”

Zur Zeit ist das Thema Verantwortung wieder richtig wichtig für mich geworden, denn meine Große ist noch in ihrer Autonomiephase und meine Kleine beginnt gerade erste Anzeichen zu zeigen. Verantwortung besteht jetzt nicht mehr nur darin sie zu nähren, pflegen, Geborgenheit und Nähe zu schenken, ihr einen sicheren Raum zum Erkunden zu schaffen, sondern es geht um Verhalten, Emotionen, Grenzen, Autonomie, Nähe und so vieles mehr.
Ich finde das wirklich viel, was da auf einen zukommt. Die Erziehungsmethoden, die ich in meiner Kindheit erfahren habe, kann und will ich für meine Kinder mit Sicherheit nicht anwenden und deshalb habe ich mich zunächst etwas halt- und orientierungslos gefühlt. Die Bedürfnis- und Bindungsorientierte Erziehung hat schon immer am meisten mit mir räsoniert und ich habe mir auch über die Babyzeit hinaus ganz oft zum Ziel gesetzt, die Bedürfnisse meiner Tochter erst zu nehmen, ihr zuzuhören, Respekt zu zeigen, ihren Bedürfnissen Raum zu geben, eine “Ja”-Umgebung zu schaffen, auf Augenhöhe zu ihr zu kommen. Doch was sich im Laufe der Autonomiephase immer wieder gezeigt hat, ist, dass ich den allerwichtigsten Aspekt aus den Augen verloren habe: die Verantwortung für mich selbst.

“Wenn ich als Mutter die Verantwortung nicht übernehme, bei wem liegt sie dann?”

Es gab nicht selten Situationen in denen ich alles versucht habe, um den Bedürfnissen meiner Tochter gerecht zu werden. Dass ich meine eigenen Bedürfnisse ganz hinten angestellt habe. Das hat dann hin und wieder zu großem Krach geführt, weil meine Nerven irgendwann durch waren und meine Tochter mit der Verantwortung überfordert war. Wenn ich als Mutter die Verantwortung nicht übernehme, bei wem liegt sie dann?

Wenn ich merke, dass meine Grenze erreicht sind, liegt es in meiner Verantwortung dies zu kommunizieren und meiner Tochter liebevolle Führung und Orientierung zu bieten (dies ist übrigens auch ein unfassbar wichtiges Bedürfnis). Wenn ich stattdessen ihrem Widerwillen nachgebe, z.B. wenn sie nicht von Ort X aufbrechen will, ich aber Kopfschmerzen habe und weiß, dass wir in Ruhe Abendessen und bettfertig werden wollen, ohne dass es zu spät wird.
Mein Kind weiß das nicht. Alles was sie weiß, ist, dass es jetzt gerade, wo wir sind, super schön ist und es Spaß macht. Wenn ich dann komme und diese schöne Situation beenden will, sie das verweigert und ich ihr dann nachgebe, übertrage ich die Verantwortung auf sie. Wenn sie sich dann auf dem Nachhauseweg querstellt oder die Treppen zur Wohnung nicht laufen will, ist meine Wut darüber umso größer, denn: “Ich gebe hier stundenlang nach, mache dir alles recht und du dankst es mir jetzt mit so einem Theater?” Das sage ich ihr so natürlich nicht, aber genau das habe ich schon so oft gedacht und non-verbal geäußert.

Kinder spüren das ganz genau und das ist ein so unfairer Gedanke ihr gegenüber. Sie reagiert auf die Umstände tatsächlich angemessen. Sie kooperiert in dem Moment nicht mit mir, aber mit ihrem Inneren. Ihr Nervensystem ist durch verschiedene Auslöser in Not geraten, wie Hunger, Müdigkeit, erhöhtes Nähebedürfnis, aber eben auch die Verantwortung, die ich ihr übertragen habe und die Schuld, die ich ihr für den Stress in mir übertrage.

Das ist ein Muster, dass ich in ganz vielen Beziehungen zeige. In meiner Ehe gebe ich für ganz vieles, was nicht gut läuft, meinem Mann die Schuld – im Kleinen und Großen. Auch in meinen Freundschaften zeigt es sich, wenn ich mich darüber beschwere, dass sie sich lange nicht bei mir gemeldet haben und ich dann merke, dass ich mich selbst ja auch lange nicht gemeldet habe.

Eine neue Ebene der Verantwortung

Laut Wikipedia ist Verantwortung vorrangig die Fähigkeit, das eigene Können und die möglichen Folgen von Entscheidungen einzuschätzen und so zu handeln, dass die erwarteten Ziele mit größter Wahrscheinlichkeit erreicht werden. Häufig ist damit das Bewusstsein verbunden, im Falle des Scheiterns Schuld zu tragen.

Wo ich jetzt ansetze, um in meiner Selbstverantwortung zu wachsen, ist, mein eigenes Können und die möglichen Folgen von Entscheidungen einzuschätzen, statt davor wegzurennen. Mir war lange bewusst, dass es mir an Selbstvertrauen mangelt und das zeigt sich jetzt in der Schwierigkeit genau dies zu tun. Mein Können einschätzen? Entscheidungen und ihre Folgen einschätzen? Ich merke gerade mehr denn je, dass ich Gott brauche; wie sehr mir die intensive Verbindung mit ihm in letzter Zeit gefehlt hat und ich merke auch, dass in mir etwas Neues, noch nie da gewesenes entfacht wurde. Ich bin bereit für eine neue Ebene der Verantwortung und ich bin gespannt, denn ich weiß, es wird wie jede bisher, mein Leben und mich sehr zum Positiven verändern.

Fragen:

  • Wie definierst du Verantwortung?
  • Wo fällt es dir leicht, sie zu übernehmen und wo fordert es dich heraus?
  • Was passiert, wenn du die Verantwortung für dich selbst nicht übernimmst?

Kraftquellen finden

Warum sind viele Mütter so müde? Zuerst mag man da an Schlafmangel denken, den neue Erdenbürger oftmals mit sich bringen. Aber ich bin mit der Zeit zu dem Schluss gekommen, dass die Müdigkeit von Müttern tiefer geht. Das Problem liegt nicht nur bei den nächtlichen ‘Störungen’, sondern vielmehr daran, dass Kraftquellen während des Tages fehlen.

Ich bin erstaunt, wie beschäftigt Mütter sind. Viele, mit denen ich seit Monaten versuche ein Treffen zu organisieren, haben einfach keine Zeit, wie sie mir sagen. Weil ich selbst während dem ersten Jahr als Mutter unglaublich viel Zeit hatte, frage ich sie dann manchmal ganz dumm, was sie denn die ganze Zeit machen. Oftmals ist es dann eine Krabbelgruppe hier, eine musikalische Frühförderung da, ein Elternkindcafé dort und dann noch der Haushaltsvormittag einmal die Woche. Dann ist die Woche um. Viele sagen mir dann, dass ihnen und dem Kleinen sonst die Decke auf den Kopf fällt. Ja, das verstehe ich auch, mir geht es auch oft so. Aber selbst wenn man etwas am Vormittag unternimmt, wo bleiben die ganzen restlichen Stunden des Tages? Woher kommt dieser Dauerstress? Ich habe den Eindruck, dass die wirklich vielen Aufgaben, die als Mütter ständig auf einen warten, für die meisten überwältigend sind. Aber, wenn man das Muttersein so sieht, als ein Haufen von Arbeit und nicht genug Zeit, ist das doch total schade. Man verpasst so viel dieser wertvollen Zeit. Deshalb sagt man wohl so oft, dass die Babyzeit regelrecht an einem vorbei rast.

Mein Alltag ist die Kindheit meiner Tochter. Diese Tatsache mache ich mir immer wieder bewusst. Deshalb leben wir achtsam und intensiv, anstatt uns nur zu beschäftigen. Wenn wir aufwachen, rennen wir nicht gleich los, sondern bleiben meist noch eine Stunde im Bett und kuscheln, lachen, schauen Vögeln und der Nachbarskatze aus dem Fenster zu und genießen es einfach keine Eile zu haben. Unser Frühstück geht oft weit in den Vormittag hinein und auch wenn wir danach zu Treffen, Kursen, ins Café, etc gehen, lassen wir uns Zeit, auch wenn wir spät dran sind. Ich mache mir ganz bewusst keinen Zeitdruck; wozu denn auch?
Genau da steckt eine meiner Kraftquellen. Für Freunde nehme ich mir immer Zeit, auch sehr spontan viele Stunden lang; warum nicht? Oft sind sie dann beim Wickeln, Spielen, Essen machen, ja, sogar beim Einschlafen mit dabei und ich liebe das, tägliche Aufgaben mit Gemeinschaft zu verbinden. Deshalb verstehe ich nicht, warum so viele (nicht nur Mütter) angeblich nie Zeit haben? Um Gemeinschaft zu haben, muss man sich nichts ‘freischaufeln’. Wir alle haben die gleiche Stundenanzahl. Für was wir sie einsetzen, ist unsere Wahl.

Ich erinnere mich noch an das erstes Mal, als ich mit meiner etwa zwei Monate alten Tochter in einer Runde mit anderen Müttern saß. Ich hörte zunächst eine Weile schweigend zu, wie sie sich über Alltäglichkeiten austauschten und fragte dann plötzlich in die Runde, was sie denn tun würden, um aufzutanken, wie es mit der Zweisamkeit mit ihrem Partner und vor allem mit Gott aussieht. Wie geht es ihrem Herzen seit sie Mutter sind?
Ich fühlte mich daraufhin extrem schräg angeschaut und so richtig beantwortet hat mir die Frage niemand. An diesem Tag ging ich verwirrt und traurig nach Hause, weil ich plötzlich Angst hatte mein Herz und alles, was mich ausmacht, hätte keinen Platz mehr, jetzt wo ich Mutter bin. Mit der Zeit fand ich jedoch meinen eigenen Weg, wie ich ganz und gar für meine Tochter da sein kann, ohne mich selbst, meinen Partner und Gott aus den Augen zu verlieren.

Es ist herausfordernd. Sehr sogar. Bevor ich schwanger wurde, bin ich nach dem Aufstehen immer raus gegangen, um zu Laufen, mit Musik oder Predigt im Ohr oder oft auch einfach im Gespräch mit Gott. Das hat mir am Anfang am meisten gefehlt, weil das meine stille Zeit mit Gott war. Jetzt fühle ich mich körperlich überhaupt nicht mehr fit und morgens kuschel, spiele und frühstücke ich lieber in Ruhe mit meiner Tochter als Sport zu machen. Ich werde oft verwundert angeschaut, wenn ich erst mittags so richtig den Tag mit der Kleinen beginne, aber ich stehe dazu. Dadurch dass wir morgens lange ausschlafen, gehe ich oft erst nach Mitternacht ins Bett und genieße die Stunden am Abend mit meinem Mann und kreativen Projekten.
Viele (Mütter) haben anscheinend das Gefühl, der Tag müsste prall gefüllt sein, damit es ein guter, erfolgreicher und lehrreicher Tag war. Aber dabei geht etwas ganz Wertvolles unter: Einfach zu sein. Ich möchte, dass meine Tochter lernt, dass sie einfach sein darf. Mit ihr das Leben zu erkunden und genießen, ist für mich der schönste Lobpreis. Es erfüllt mich zutiefst mit Gottes Gegenwart. Ich bete gerne über sie, während sie schläft, spielt und auch mal weint. Außerdem hören wir Zuhause viel Anbetungsmusik, zu der wir tanzen, die Arme heben oder sie einfach im Hintergrund den Raum erfüllen lassen. Oft mache ich einen Podcast mit inspirierenden Predigten an, während ich koche oder aufräume. Es ist nicht so, dass ich Zeit für Gott freischaufeln muss, genauso wie mit meinen Freunden, ist es auch mit Gott. Er ist einfach dabei, wenn wir unser Leben gestalten und das ist die größte Kraftquelle in meinem Leben: Gemeinschaft mit Gott.

Fragen:

  1. Fühlst du dich oft müde?
  2. Wie beginnst und füllst du deinen Tag?
  3. Was sind deine Kraftquellen im Alltag?