„Du hast ein Problem damit Kontrolle abzugeben.“ Meinte letztens mein Mann zu mir. Ich wollte es erst nicht wahrhaben, denn solche Menschen hatte ich mir immer als herrschsüchtig, dominant, toxisch und eifersüchtig vorgestellt und das bin ich doch alles sowas von nicht. Aber je mehr ich drüber nachdenke, desto mehr muss ich eingestehen.. ja, ich hab ein Problem mit Kontrolle und es äußert sich ganz anders als die Bilder, die ich bisher im Kopf hatte.

Es beginnt schon mit dem Thema Menschenfurcht, überhaupt das übermäßige Gedanken machen, was andere von mir denken. (An dieser Stelle habe ich das Gefühl, dass es darum in fast jeder meiner Kolumnen geht, aber es ist einfach so ein großes Thema für mich, daher kommt es immer wieder auf. Seid nachsichtig mit mir 😉)
Ich hatte immer schon große Probleme frei ich selbst zu sein und meine Meinung zu äußern, aus Angst man könnte mich deshalb nicht mehr mögen und deshalb war ich immer still und wenn ich etwas sagte, dann nur meinem Gegenüber bestätigend und zustimmend. So hatte ich vermeintlich die Kontrolle darüber, was Menschen von mir denken. Im Job versuchte ich mit aller Kraft jedem zu helfen und alle zu retten. Ich hatte solche Angst zu versagen und meine Klienten zu enttäuschen und schlecht vor meinen Kollegen dazustehen.

Die ständige Kontrolle hat mich fast in den Burn-Out getrieben. Und seit mein süßes kleines Babymädchen ein eigenwilliges Kleinkind ist, lerne ich nochmal ganz andere Seiten an mir kennen, wenn ich das Gefühl habe, sie entgleitet mir mit ihren Emotionsausbrüchen und ihrem unsagbar starken Willen.
Wenn nichts, was ich mache oder sage, bewirkt, dass sie kooperiert oder zumindest etwas runterkommt, brodelt es heiß in mir hoch und mein Puls schlägt mir bis zum Hals. Es ist wie eine Ur-Angst. Fight or Flight. Ich will entweder ausrasten oder fliehen. Beides hab ich schon gemacht. Beides bringt nichts. Und dass ich einen Mann habe, der sehr widerspenstig, eigenwillig und stur ist, ist für mich unfassbar herausfordernd und genauso unfassbar wichtig, weil ich ihn nicht wirklich kontrollieren kann.

Doch woher kommt das? Diese Angst Kontrolle abzugeben, beziehungsweise zu verlieren? Im Grunde war es für mich seit früher Kindheit meine Art, mit einigem was (schief)gelaufen ist, klarzukommen – quasi ein “Überlebensmechanismus”. Indem ich mich und meine Emotionen unter Kontrolle hatte, belastete ich mein Umfeld nicht. Ich hatte das Gefühl nicht sicher zu sein, wenn ich es rauslasse.
Engste “Bezugspersonen” konnten meine Energie und Emotionen nicht aushalten und wenn ich ruhig und kontrolliert war, wurde mir mehr Wohlwollen entgegen gebracht. Und wenn in meinem Umfeld Stress und Streit herrschte, fühlte ich mich dennoch immer verantwortlich und wollte es schlichten.

Schon mit zwei konnte ich stundenlang ganz still sitzen und warten, erzählte mir mein Vater oft ganz stolz. Als er mich mal mit zur Arbeit nahm, dachten seine Kollegen ich sei eine Puppe. Als Teenager entwickelte ich eine schwere Essstörung, bei der es, wie in den allermeisten Fällen, nicht um das Ziel einer schlanken Figur ging, sondern um.. Kontrolle. Wenn ich mein Umfeld nicht kontrollieren kann, dann zumindest meinen eigenen Körper. Diese Symptomatik konnte ich – Gott sei Dank – vor einigen Jahren hinter mir lassen, doch das Grundproblem scheint noch nicht komplett gelöst zu sein, es äußert sich nur anders.

Mich zu kontrollieren und dadurch auch das, was mein Umfeld von mir hält, ist also ganz tief in mir verwurzelt und lässt sich nicht einfach abstellen. Und dann kommt Gott und sagt: „Vertraue mir. Übergib mir deine Kontrolle, sie tut dir nicht gut.“ Und ich.. habe Angst.

Seit einer Weile beschäftige ich mich mit Methoden wie Atemtechnik, Meditation, Imagination und anderen Formen von Self-Empowerment, um mit den Hürden des Alltags klarzukommen. Es hilft mir tatsächlich sehr und als ich letztens ganz enthusiastisch Sascha erzählte, was ich gerade lerne, meint er, dass ich dadurch doch umso mehr lerne alles selbst in die Hand zu nehmen und zu kontrollieren, statt es an Gott abzugeben.

Ich muss ehrlich sagen, ich gebe Gott derzeit kaum Kontrolle über mein Leben. Doch wenn was schiefgeht, dann bin ich sauer, dass Gott nichts gemacht hat. Das ist doch typisch Mensch oder? Gott hat in der Not bitte schön da zu sein und alles zu retten, aber dann kann Er wieder schön zurück in die Wolken verschwinden und uns machen lassen und wenn dann doch etwas Schlimmes passiert, sei es ein Unfall, eine Naturkatastrophe, der Tod eines geliebten Menschen, eine schwere Krankheit und Gott „nichts macht“, dann wird zuallererst Gott angeklagt.

Die Frage: „Warum lässt Gott das zu?!“ sollte vielleicht mal ersetzt werden mit: „Hab ich in meinem Leben bisher Gottes Wirken überhaupt zugelassen?“. Ich habe mich immer davor gescheut Gott die Kontrolle zu geben, aus Angst meine Freiheit aufzugeben. Aber wenn ich so drüber nachdenke und mir vorstelle, meine dreijährige Tochter müsste immer kontrollieren, ob wir im Supermarkt genug Geld für alle Einkäufe haben, ob wir sie nachts nicht alleine in der Wohnung lassen, ob das, was ich koche, nicht giftig für sie ist, ob ich fahrtüchtig bin, wenn ich sie vom Kindergarten abhole. Wäre sie dann frei? Nein, die Vorstellung mein Kind müsste alles kontrollieren ist sowas von unfrei und schrecklich. Stattdessen kann sie vertrauen und die Kontrolle uns Eltern überlassen, ob und was es zu Essen gibt, inwiefern wir im Straßenverkehr sicher sind, dass wir auf sie aufpassen und sie versorgen. Durch dieses Kontrolle-aufgeben kann sie wirklich frei und sie selbst sein. Sagt Gott uns nicht in Matthäus 18;15-17 „Werdet wie die Kinder.“?

Die Kontrolle an Gott abzugeben ist also keine Drohung, sondern eine Einladung frei zu sein.

Fragen:

  • Fällt es dir leicht Kontrolle abzugeben?
  • Kennst du Situationen, in denen die Kontrolle dir entgleitet? Wie gehst du damit um?
  • Vertraust du Gott in allen Bereichen deines Lebens?