Vor kurzem ist mir etwas aufgefallen, was mir nicht leicht fällt, mir überhaupt selbst einzugestehen, geschweige denn es nach außen zu tragen. Doch ich bin nach wie vor auf der Reise Scham abzulegen und deshalb entscheide ich mich immer wieder mich verletzlich zu machen und daraus zu lernen und zu wachsen. Es ist dieses Mal keine ermutigende Kolumne mit Lösungen, Motivation oder einem passenden Bibelzitat. Es ist eher ein Geständnis und vielleicht bin ich die einzige, der es so geht – dann ist diese Kolumne einfach nur für mich. Aber vielleicht geht es noch jemandem von euch so, dann lass uns gemeinsam Mut fassen und es uns eingestehen, um es letztendlich zu ändern.

Was mir aufgefallen ist, dass ich oft ein Versteckspiel mache. Die folgenden Punkte, die ich bei mir aufgedeckt habe, sind natürlich kein Dauerzustand, aber es gibt eben Phasen in denen es mal mehr und mal weniger der Fall ist.

– Ich verstecke mich vor Gott, indem ich lange Zeit überhaupt nicht ins Gebet gehe oder mich auf keine Weise mit geistlichen Themen befasse.
– Ich verstecke mich vor alltäglichen Aufgaben. Vor dem Saubermachen, über Papierkram erledigen und abheften, bis hinzu Anrufe tätigen, z.B. um Arzttermine auszumachen.
– Ich verstecke mich vor mir selbst, indem ich mir keine Minute des Tages Zeit nehme, inne zu halten und mich zu fragen, wie es mir gerade geht und was ich brauche, geschweige denn am Abend ein Tagebuch oder Malpinsel zur Hand zu nehmen.
– Ich verstecke mich aber auch vor anderen Menschen, indem ich mich lange Zeit nicht bei ihnen melde, mit der Begründung, dass sie sich ja auch melden könnten oder dass sie bestimmt gerade keine Zeit haben. Ich antworte aber auch vielen nicht, da selbst das Öffnen und Beantworten von Sprachnachrichten mich von Zeit zu Zeit so sehr stresst, dass ich es einfach lasse und mich davor verstecke. Tatsächlich habe ich sogar in dieser Minute neben mir ein Handy mit einigen ungeöffneten Nachrichten und Sprachnachrichten von letzter Woche bis hinzu vorletztem Monat. Mir ist sogar bewusste, dass mindestens eine dieser Personen innerhalb dieser Woche eine Antwort gewünscht/gebraucht hätte.

Es gibt bestimmt einige, die jetzt denken, statt hier so eine Kolumne zu tippen, hör doch einfach diese blöde Sprachnachrichten an und beantworte sie. Aber es ist gerade wirklich ein Problem für mich, denn je länger ich Zeit verstreichen lasse desto größer wird auch die Angst vor dem Anhören und die Reaktion, die ich dementsprechend liefern muss.

Ich beginne meine Antworten so oft mit den Worten: “Sorry, hab die Nachricht übersehen und hab sie jetzt durch Zufall wiedergefunden und antworte deshalb so spät.” Manchmal ist es wirklich so. Aber ganz wahr ist das tatsächlich meist nicht. Ehrlich wäre dann eher: “Sorry, ich hab vor drei Wochen gesehen, dass du mir eine Sprachnachricht geschickt hast, hatte aber in dem Moment keinen Nerv sie anzuhören und auch ein bisschen irrationale Angst davor, was du wohl darin sagst und hab sie deshalb ignoriert und jetzt nach wochenlangem schlechten Gewissen endlich angehört und festgestellt dass es gar nichts Schlimmes war. Sorry.”

Ich verstehe es selbst nicht ganz, aber was ich interessant finde ist, dass mir dieses Verhalten vor Kurzem bei der Arbeit mit psychisch Kranken begegnet ist. Eine Klientin hatte Monate lang Briefe ungeöffnet im Keller verschwinden lassen, von der Krankenkasse, Rechnungen, Mahnungen, Inkassobriefe.. Teilweise sind sie durch Zufall wieder aufgetaucht und ihr Partner stand mit einem Stapel vor ihr und fragte was das solle? Tatsächlich kamen durch dieses Verhalten große Schulden auf die Familie zu. Sie konnte nur mit dem Schultern zucken und zu Boden blicken. In dem Moment konnte ich das, so wie ihr Partner, nicht nachvollziehen. Ich sagte ihr sogar, dass die Briefe direkt nach Erhalt zu öffnen, ihr jetzt riesige Kosten, Rennerei zu Ämtern und bürokratischen Aufwand erspart hätte. Als ob sie das nicht wusste.
Erst einige Tage später, als ich in einer (im Vergleich banalen) Situation bei mir selbst ähnliche Züge von Verdrängung bemerkte, merkte ich, dass ich es sehr wohl nachvollziehen kann, wie es zu solch einem fatalen Verhalten kommen kann. Deshalb bin ich dankbar, es jetzt so richtig zu realisieren, um es anzugehen und zu überwinden. Es gehört dazu zum ‘Frieden-Nachjagen’. Dinge zu erledigen, die durch Verdrängung nur Unfrieden hervorrufen, ist definitiv nicht einfach, aber dem Nachzujagen ist eine bewusste Entscheidung. Es beinhaltet aufzustehen, zielgerichtet voranzugehen und etwas regelrecht in Angriff zu nehmen.

Fragen:

  1. Wann hast du das letzte Mal innegehalten?
  2. Sorgst du dich auch oft um Dinge, die in der Perspektive der Ewigkeit keine Rolle spielen?
  3. Was hörst und fühlst du, wenn du still bist?